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Gruftführungen im Sommer 2024


2. April 2024

Denn alles Fleisch ist wie Gras 
und alle Herrlichkeit der Menschen wie des Grases Blume. 
Das Gras ist verdorrt und die Blume abgefallen; 
aber des HERRN Wort bleibt in Ewigkeit.                  1.Petrus 1, 24-25

In unserer Stadt befindet sich das älteste, Anfang des 12.Jh. gegründete Kloster der Mark Meißen. Die fast 800 Jahre alte Riesaer Klosterkirche wurde bereits zu Klosterzeiten für Bestattungen der Ordensleute genutzt.  Aus nachreformatorischer Zeit existieren Begräbnisstätten, in denen die seit 1637 dort Beigesetzten zum Teil nicht verwest, sondern auf natürliche Weise mumifiziert sind.

Nicht wie in manch anderen Kirchen, blieben die Riesaer Grüfte mit ihrem Bestand an Särgen von Plünderungen, Zerstörungen und Umnutzungen weitgehend verschont. Dieser Umstand gestattet uns heute einen umfassenden Blick in einen fast ungestörten Befund nachreformatorischer Bestattungskultur aus über zwei Jahrhunderten.

Seit 1973 kümmert sich eine Gruppe der Ev.-Luth. Kirchgemeinde Riesa, um diese besonderen Bestattungsräume zu erhalten und sie gelegentlich der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Bei den Führungen durch Kirche und Grüfte spielt seither das Thema Glauben sowie Tod und Sterben eine zentrale Rolle.

1974 wurde unter dem ehemaligen Pfarrer Manfred Dietrich und Kirchvorststeher Gert Freudenberg zum ersten Mal einer breiten Öffentlichkeit ermöglicht, die Gruft unter dem Altar zu besichtigen. Dabei verband Pfarrer Dietrich die Möglichkeit der Besichtigung der Grüfte mit der Chance, die Besucher auch über den christlichen Glauben zu informieren. Seit Gründung der DDR im Jahr 1949 wurde die Ausübung der christlichen Religion massiv behindert. Aus Angst vor Repressionen und persönlichen Nachteilen, wendeten sich viele von der Kirche ab. Pfarrer Dietrich sah in der Durchführung von Kirchen- und Gruftführungen eine Möglichkeit, diesem staatlichen Bestreben entgegenzuwirken. Die Mehrheit der Kirchvorsteher unterstützte damals diesen Gedanken. Zur Besichtigung wurden an einigen Särgen dazu die Deckel entfernt. In der Kirche fand gleichzeitig eine historische Bibelausstellung statt und es gab Informationen zu Kirche, Altar, Orgel und Taufstein.

Diese Idee, die Geschichte der eigenen Heimat, das Wissen über vergangene Werte und der Bestattungskultur unserer Ahnen, mit dem Kennenlernen des Christlichen Glaubens zu verbinden wurde als missionarische Chance verstanden und verwirklicht. Kirchvorsteher Manfred Jope führte die Idee Pfarrer Dietrichs bis zu seiner Verhaftung im Jahr 1981 weiter. Seit 1982 bis heute leitet Kirchvorsteher Michael Herold die Arbeit der Kirchen- und Gruftführungen in der Klosterkirche. An dieser Grundkonzeption hält unserer Gemeinde nun bereits seit 50 Jahren fest.

Aus Anlass des 50- jährigen Jubiläums der damaligen Gruftöffnung, hat der Kirchenvorstand beschlossen an fünf Wochenenden in diesem Jahr Kirchen- und Gruftführungen durchzuführen.

Was erwartet die Besucher?

Sie werden von fachkundigen Mitgliedern einer kleinen Gemeindegruppe durch Kirche und Grüfte geleitet. Dabei erhalten sie zunächst einen historischen Einblick von der Geschichte der Klostergründung bis zur Bedeutung der Kirche heute. Markante Details wie Altar, Taufstein und Orgel werden erläutert. Beim Gang durch die Begräbnisstätten erfahren unsere Gäste, welche Menschen dort beigesetzt wurden und welche Bedeutung die Sarginschriften und Grabbeigaben haben und welche Hintergründe wir über das Leben und Sterben dieser Menschen wissen.

In die Führungen fließen auch Erkenntnisse ein, die in den Jahren 2016 bis 2020 durch das Team um die  Anthropologin und Archäologin Amelie Alterauge im Zuge einer wissenschaftlichen Untersuchung des gesamten Bestattungsbefundes der Riesaer Grüfte erforscht, beschrieben und dokumentiert werden konnten.

Im Jahr 2021 wurden diese wissenschaftlichen und archäologischen Ergebnisse in Form einer Ausstellung erstmals im Riesaer Stadtmuseum einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht.

In diesem Zusammenhang entstand damals folgender Text:

„Die wissenschaftliche Untersuchung und die Dokumentation dieser Begräbnisstätten in den Jahren 2016 bis 2020 und die Veröffentlichung der Ergebnisse 2021 in Zusammenarbeit mit dem Museum Riesa sowie den Museen der Stadt Dresden, geben einen eindrucksvollen Einblick in das Leben und Sterben der Riesaer Rittergutsfamilien. Die Bestattungskultur, die Begräbnisrituale und der tiefe Auferstehungsglauben jener Menschen ist ein besonderes christliches Zeugnis gerade für uns Menschen in einer fortschreitend säkularisierten Welt. So sprechen z.B. die vorhandenen Sarginschriften eine Sprache der Dankbarkeit und der Zuversicht auf Gott. Klage findet man nicht, trotz großer Trauer. Viele Kinder sind besonders im 30-jährigen Krieg sehr zeitig verstorben. Die Sargausstattungen, Textilen, Schuhe und Grabbeigaben, erzählen durch eine faszinierende Handwerkskunst und Mode jener Zeit von der festen Hoffnung auf ein ewiges Leben.“

MEMENTO MORI
(Bedenkt, dass wir sterben müssen!)

So lautete die Überschrift zu einer Foto- und Informationsausstellung zur Forschungsarbeit, die 2021 gleichzeitig in der Klosterkirche zu sehen war. Sie ist der Versuch, unsere eigene Endlichkeit wieder mehr in den Blick zu stellen.

Bibelsprüche, die Martin Luther empfohlen hat, auf Särge und Grabsteine zu schreiben, finden sich auch auf den Särgen in den Grüften von Riesa. Diese Zitate waren ebenso Bestandteil der Ausstellung.

Bild: M. Herold

Ein kleiner Ausschnitt dieser Dokumentation wird den Besuchern in der Klosterkirche voraussichtlich erneut begegnen.

Vor 50 Jahren wie auch im kommenden Sommer, wollen wir wieder versuchen, Ihnen in unseren Führungen durch die Klosterkirche und ihre Grüfte von jenen

„Geschichten über den Tod hinaus“ zu berichten. Nutzen Sie die seltene Möglichkeit. Sie sind herzlich eingeladen.

Michael Herold

Die Kirchen- und Gruftführungen in der Riesaer Klosterkirche finden

vom 27. Juli bis 01. September 2024 jeweils Sonnabend und Sonntags von

14.00-18.00 Uhr statt.

(Sonderführungen können ausschließlich mittwochs und nur auf Anfrage vereinbart werden.)

Eintritt für öffentliche Führungen Sonnabend/ Sonntag:

Erwachsene:                   10,00 €/ Person.

Kinder und Schüler: frei (gegen gültigen Schülerausweis)

Weitere Rückfragen bitte über das Pfarramt Riesa, die Kontaktdaten finden sie hier.